Im Amerigo Sattel über die Alpen

Mit der Siri über die Alpen oder „Shagya goes alpin!“

Der Reisebericht von Ira Hoch und ihrer Araber-Stute Siri, die im Amerigo Sattel die Alpen überquert haben!

Anreise und Start in Weilheim/Oberbayern, von hier aus durch das Ammertal vorbei an Ehrwald Richtung Wettersteinmassiv/Zugspitzareal nach Biberwier. Danach über den Fernpass zum Kaunergrat,  weiter Richtung Reschenpass, entlang des Reschensees  und schließlich hinab ins Vinschgau. Dieses durchquerend weiter bis zum Ziel in Meran… eine Strecke von rund 280 Km in 9 Reittagen.
Soweit die Tour. Sie zu bewältigen war ein langgehegter Traum … mit einem Araberpferd? Natürlich mit einem Araberpferd! Warum auch nicht? Als geborene Langstreckenläufer sollten Ihnen die Distanzen kein Problem sein … und die Steigungen? Nun, das sollte sich zeigen.
Bereits kurz nach ihrer Geburt im Juli 2008 bei Silvia Pollak in Alfdorf/Schwäbisch Gmünd, kaufte ich die Siri. Hengst Samorrai (v. Janus a.d. Sharina/Silvia Pollak) und Stute Freya (v. Shahir a.d. Farida/Ruth Pack, Reichshof) konnte ich dort persönlich kennenlernen, sowie einige Voll- und Halbgeschwister meiner Stute.  Samorrai und Freya begeisterten mich augenblicklich. Eine gute Mutterstute und ein Hengst, der Muskelaufbau,  schöne Oberlinie mit ausgezeichneter Hinterhand und starken Rücken sichtbar an seine Nachkommen vererbte, dazu diese umwerfende arabische Ausstrahlung, waren für mich ein Volltreffer!  Die Grundlagen für ein gutes Reitpferd waren gegeben. Alles Weitere lag an der Aufzucht und der Ausbildung meines Fohlens, also an mir. Aufwachsen sollte sie im Berbergestüt Amazir in Kaisersbach am Ebnisee,  in der Stutenherde. Dort erlernte sie das Fohlen-ABC und als 3 ½ jähriges Jungpferd starteten wir mittels Parelli- Grundlagentraining und der  Longenarbeit nach Babette Teschen den Aufbau für die spätere Arbeit als Reitpferd. Als Vierjährige lernte die Siri einen Reiter zu tragen und fünfjährig schließlich folgten die ersten kleinen Tages- und Wochenendritte sowie Einstieg ins Langstreckentraining.  Wöchentliche Longenarbeit und ein bis zwei Dressurstunden machten das Ausbildungstraining rund. Siri entwickelte sich stetig zu einer guten und ausdauernden Partnerin  in Bahn und Gelände. Mit ihr begannen meinen Träumen Flügel zu wachsen und ich steuerte die Realisierung eines langgehegten Traumes, der Alpenüberquerung zu Pferde, für das Jahr 2016 an. Ein einwöchiger Aufenthalt im Elsass mit intensiven Kletterpartien, mehrere Wanderritte sowie Wochenend- und Tagesritte in bergigem Terrain, Training bei allen erdenklichen Bodenbeschaffenheiten und eine gründliche Prüfung des Equipments stellten uns schließlich soweit gut vorbereitet auf, dass ich die Anmeldung und den Antritt an mein ganz persönliches Abenteuer wagte.
Wir starteten in Weilheim/Oberbayern. Hier, im Allgäuer Voralpenland, war das Gelände noch sanft hügelig und ohne größere Herausforderungen.  In Wessobrunn bei Weilheim trafen die zehn Teilnehmer mit ihren Pferden ein, um ein erstes Nachtquartier vorzubereiten und den Trosstrailer mit den Utensilien zu beladen, die mitgeführt werden sollten. Der überwiegende Anteil davon waren Futter, Regendecken, Ersatzpads bzw. Schabracken und allerlei Paddockmaterial. Während wir in Hotels/Pensionen oder auf Ranches untergebracht waren übernachteten unsere Pferde, mit einer Ausnahme, in „Neu Amerika“ bezogen sie Boxen, in Paddocks. Nach einer ersten Übernachtung und mit erfreulich entspannten Pferden starteten wir in den ersten Reittag.  Entlang der Bahnlinie, durch allerlei Straßenverkehr und vorbei an Lamas, Alpakas und Rindern zeigte sich schnell, Verkehrs- und Umweltsicherheit sind Grundvoraussetzungen für unsere Pferde für diesen Ritt. Am Abend des ersten Reittages, in Bad Bayersoien, ging uns der Paddockbau noch etwas sperrig von der Hand. Aber das sollte sich durch die Routine ablösen, die wir in den folgenden Tagen gewinnen würden. Anderntags erreichten wir Ettal. Eine ausgewogene Strecke erlaubte abwechslungsreiches Reiten und die eindrucksvolle Bergkulisse rückte in greifbare Nähe. Wir bezogen Quartier im Gästehaus Gröbl und morgens beim Füttern stellte ich fest, dass Siri einen leicht erwärmten Huf hatte.  Ich fragte mich ob der Schreckmoment, der sie von einem Gehsteig hinabspringen und ausrutschen ließ oder der vorwiegend harte und steinige Untergrund, auf dem wir vorwiegend ritten, ursächlich waren für diese Reizung. Wie auch immer, Sohlen unter den Eisen hätten im Vorfeld für Schonung und Entlastung gesorgt. Diese Empfehlung sollte unbedingt in die Ausschreibung aufgenommen werden. Ich ließ Siri für einen Tag aussetzen, fuhr sie mit dem Hänger zur nächsten Station nach Biberwier und führte sie zum nahegelegenen Wildbach, an und in welchem wir dann unseren Nachmittag verbrachten um die Füße zu kühlen. Sollte hier schon die Tour für uns enden? Der nächste Tag würde es zeigen. Tatsächlich waren Siris Hufe am nächsten Morgen wieder kühl und das Gangbild unauffällig. Zum Glück ritt eine Hufschmiedin mit, die die Siri im Auge behielt. Doch Siri bekam während des gesamten Ritts keinerlei Probleme mehr. Von Biberwier aus ging es über Almen zum Einstieg in die Fernpassroute. Wir bewältigten die imposante Felsenbrücke, eine Holzbrücke die um eine Felsennase herumführt und passierten kurze Stücke der antiken Via Claudia Augusta, der römischen Fernpassstraße. Zu erkennen, dass sich Karrenspuren tief in das Gestein gegraben hatten, war eine anrührende Erfahrung. Schließlich tangierten wir beim Passieren des Schlosses Fernstein sehr nah die Fernpassstraße und waren glücklich, schon bald wieder in den Wald eintauchen zu können.  Schließlich erreichten wir Tarrenz, pünktlich zum Country-Fest mit Linedance am Gasthaus Sonne. Der nächste Tag bescherte einen abwechslungsreichen Trail und das Ziel „Neu Amerika“ in Wenns ist wirklich einen anstrengenden Ritt wert! Benannt nach einem Auswanderer, der mit einem Koffer voller neuer Ideen aus Amerika zurück kam, erreicht man eine Westernranch mit Saloon, die Auge, Herz und Gaumen verwöhnt. Doch davor wollte eine herausfordernde Route bewältigt werden. Wir passierten ein Hochmoor, das uns wild und unheimlich erschien, da die Pferde auf den Pfaden zum Teil tief einsanken. Aus diesem Gelände heraus erfolgte der Aufstieg über einen steilen,  felsigen Pfad hinauf zum Naturhaus am Naturpark Kaunergrat. Hier wurde zum ersten Mal richtig geklettert und das Vorderzeug machte sich bezahlt. Die Siri kletterte energisch hinter den Freibergern her, machte aber zu keiner Zeit den Eindruck, überfordert zu sein.  Im Gegenteil, ich glaube, dass ein Pferd wie sie mit den Herausforderungen immer besser wird. Sie zeigte sich enorm trittsicher und was besonders wichtig war, unbeirrbar, rittig und konzentriert. Oben angekommen wurden die Pferde mit einer Rast und wir mit einem großartigen Blick über das Pitztal und das Kaunertal belohnt. Nun, dem Aufstieg folgt naturgegeben ein langer Abstieg, den wir zu Fuß bewältigten da unsere Pferde allerhand mit den vielen Eisenrinnen zu schaffen hatten, die in wiederkehrenden Abständen den Weg querten um die Almen zu entwässern. Insgesamt blieben drei Eisen in solchen Rinnen hängen, weitere lockerten sich. Glücklicherweise führte unser „Bordschmied“ ein multifunktionelles Werkzeug mit sich, das das Dilemma kurzerhand beheben ließ. Während wir uns in den rustikalen Zimmern von „Neu Amerika“ erholten, ruhten sich die Pferde in Boxen aus… und zum ersten Mal konnte ich feststellen, dass die Siri sich nachts zum Schlafen hingelegt hatte. Offenbar bot ihr die Box Schutz… auch wenn ich mir einbilde, dass Pferde sich draußen wohler fühlen sollten. Am übernächsten Tag kamen wir zum Anstieg in den Reschenpass. Vom ausgebauten Wirtschaftsweg zweigte ein idyllischer Waldpfad ab, der sich schnell zu einem steilen, langen und sehr schmalen Aufstieg entwickelte. An manchen Stellen bot sich linksseitig der Blick in abgründige Tiefen und mein Vertrauen in mein Pferd war gefordert. An solchen Passagen sollte sie weder Scheuen noch sich Verweigern , doch hatte sie seither zuverlässig gearbeitet, warum sollte sie gerade jetzt auf dumme Gedanken kommen? Auch wenn Siri bisweilen lustige Launen hat, bei solchen Wegen konnte ich voll mit ihr rechnen. Also ließ ich sie gewähren und vertraute auf ihre Trittsicherheit. Oben hinter dem Ausstieg aus dem Steig fanden wir uns auf der alten Reschenpassstraße wieder. Direkt vor uns lag der Zugang zu einem der stillgelegten Tunnel, hier konnten wir steinschlaggeschützt Rast mit unseren Pferden machen. Der Blick aus den Arkaden bzw. von der alten Passstraße herab war atemberaubend. Nun, das eigentliche Abenteuer des Tages sollte uns noch bevorstehen, um die Reschenpasshöhe zu erreichen war ein Tunnel der aktuellen Passstraße zu durchqueren. Das war unumgänglich und glücklicherweise war die österreichische Polizei  bereit, den Tunnel für uns kurzzeitig für den Verkehr zu sperren. Das bedeutete, zügig in eine dunkle, hallende Röhre einzureiten in welcher, zu allem Überfluss, auch noch Baustellenlichter blinkten. Boten eingangs die Arkaden noch etwas Tageslichtbeleuchtung, wurde es rasch dunkel um uns. Meine Shagyaaraberstute hielt den Atem an und tat ihre Arbeit. Auch diese Prüfung hat sie mit Bravour bestanden. So wanderten wir durch Nauders am Reschenpass, entlang des Reschensees und erreichten schließlich St. Valentin auf der Haide. Der Anblick des versunkenen Kirchturmes im See hinterließ bei uns allen einen verzweifelten Eindruck. Allein der Turm war eine einzige Anklage gegen die Bausünde der Vergangenheit, die ein ganzes Dorf opferte, die Bevölkerung in ein ungeliebtes Neuprojekt umsiedelte und ein Stück Alpengeschichte einfach versenkte. Die folgenden Tage führten hinab ins Vinschgau, was bedeutet, wir ritten durch Apfelplantagen. Apfelbaumreihe reihte sich an Apfelbaumreihe und irgendwann begann die Landschaft hinter ihnen zu verschwimmen. Entlang des Bahngleises, der Straße oder den unzähligen Beregnungsanlagen, ständig  gesäumt und begleitet von Radwanderern, geriet diese Strecke unerwarteterweise zur anstrengensten der Tour für Siri und mich. Nicht aufgrund von Anstieg oder Bodenbeschaffenheit, allein durch fortwährend andauernder Gleichförmigkeit und den Unmengen von Radwanderern, die zum Teil in abenteuerlicher Weise die Reitergruppe passierten. Während wir in Saturns im Biohotel Anna eine Sidreverköstigung genossen und allerlei Geschichten rund um Äpfel zu hören bekamen (jeder zehnte in Europa konsumierte Apfel stammt aus dem Vinschgau!) bauten unsere Pferde, die zum Glück an diesem Abend ihre Paddocks innerhalb eines Reitplatzes hatten, die Zäune ab und vermengten sich zur Herde. Als wir frühmorgens zum Füttern ankamen bot sich der Anblick eines Schlachtfeldes hinsichtlich des Paddockmaterials, von den Pferden war jedoch zum Glück, abgesehen von ein paar Schrammen und Bissen, keines verletzt. Das hätte übel enden können bei zehn Pferden, die sich kaum oder gar nicht kennen und von denen jedes  vier Eisen mit jeweils vier Stiften trug. Erstaunlich war zu beobachten, dass die Hierarchien zwischen den Pferden scheinbar vollständig geklärt waren. Man verstand sich mittels kleinster Gesten und es war möglich, die Gruppe während unserer Aufräumarbeiten gemeinsam an mehreren Heuhäufen verteilt zu füttern. Ein schönes Zeichen dafür, dass all unsere Pferde weitestgehend gut sozialisiert und damit im Herdenverband gehalten werden. Ein weiterer Tagesritt führte uns schließlich unserem Ziel, Meran, immer näher. Brücken, Wege und Pfade, dieses mal auch fern der Radwanderroute, führten uns südlicher. Die Pferde, inzwischen zu einer gut funktionierenden Gruppe zusammengewachsen, erlaubten noch eine herrliche Mittagsrast an einer Grillhütte vor Naturns, während sie an Bäumen angebunden ruhten. Großartig, so entspannte Pferdepartner dabei zu haben! Ein super Gefühl für uns alle, schließlich vollzählig in Meran anzukommen. Wieder auf einem Reitplatz untergebracht bauten wir zum letzten Mal unsere Paddocks auf, während das Trossfahrzeug bereits entladen wurde und  wir die Sachen in die verschiedenen Fahrzeuge, die zuvor hergefahren worden waren, packten. Schon in aller Frühe des darauffolgenden Morgens reisten die ersten Mitreiter ab, da einige eine wirklich lange Heimreise vor sich hatten. Grund genug, den Ritt nach Versorgung unserer fantastischen Pferde mit einem feinen Menü im Gasthaus Lamm zu feiern.
Es war ein wirkliches Abenteuer und mein Pferd hat sich in jeder Hinsicht begeisternd gut geschlagen. Ich habe bereits im März mit dem Vorbereitungstraining für diesen Ritt begonnen, wöchentlich standen drei Geländeritte zwischen zwei und drei Stunden sowie eine bis zwei Dressurstunden auf dem Plan. Daneben gab es einmal wöchentlich Kappzaumarbeit und einen Koppeltag. Die Siri bewohnt eine Paddockbox und ist ganzjährig täglich mit ihrer Stutengruppe auf der Weide. An Pfingsten besuchten wir zusammen das Elsass und die Siri durfte dort ausgiebig das Klettern üben. Die ausgedehnten Touren dort bereiteten sie und mich auf die möglichen Herausforderungen vor. Weitere Wochenendritte, ein Drei-Tage-Ritt und mehrere Tagesritte rundeten unsere Vorbereitungen ab. Da die Siri und ich in der Regel alleine unterwegs sind und ich bei einem Wanderritt im März feststellte, dass sie sich in Gruppen mit fremden Pferden unwohl fühlte, galt es Übungseinheiten mit fremden Gruppen und Pferden gezielt einbauen. Meine Stute wurde anfangs durch die Anwesenheit der unbekannten Pferde so aggressiv und unsicher, dass sie sich in ihrer Erregung erschöpfte und besonders bei den Mehrtagesritten an Substanz verlor. Das änderte sich jedoch im Laufe der Vorbereitungsritte und war schließlich kein Thema mehr. Erleichtert wurde der Umstand auch dadurch, dass Mitreiter den angezeigten Abstand von einer Pferdelänge auch wirklich einhielten und damit mein Pferd nicht ständig herausforderten. Allerdings scheinen die meisten Stuten dieses  Bedürfniss nach etwas Privatsphäre rund um ihren Körper zu hegen. Das Equipment bestand aus Wanderreittrense, Westernpad mit Lammfellunterseite, einem Dressursattel mit Enduranceeignung (wurde eigens für Siri angefertigt), kleinen Packtaschen vorne und einer Bananentasche hinten, Vorderzeug,  Hufglocken und einem Eisenbeschlag mit jeweils vier Vidiastiften. Am Equipment feilte ich im Verlauf der Vorbereitunsphase mehrfach herum, änderte dann aber nichts mehr. Ich hatte großes Glück, Siri bekam keine Probleme, weder im Rücken noch mit Gelenken oder Sehnen. Abgesehen von einem warmen Huf am zweiten Tag überwand sie die Anforderungen völlig problemlos. Andere Pferde waren nicht so glücklich dran. Sie hat, genauso wie ich, etwas Gewicht verloren, was aber angesichts der neun aufeinanderfolgenden Reittage zu jeweils 6-7 Stunden Tourzeit nicht wirklich verwunderlich ist. Zu Hause angekommen lief sie am nächsten Tag locker und flüssig an der Longe und zeigte keine Verspannungen oder Taktunreinheiten. Sie ist ein tolles Pferd und Vertreterin einer außergewöhnlich leistungsbereiten Rasse, für die ich mich jederzeit wieder entscheiden würde!

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